Es gibt viel Informationen, was Sauerteig ist, wie er geführt wird, wie er wirkt und warum.

 

Was ich hier vermisse, ist der Grund:

 

Warum müssen wir säuern?

Da muss ich mich doch mal fragen:

v     Interessiert das niemanden?

v     Wissen das alle?

v     Oder glauben alle, der Geschmack ist der Grund, warum wir Sauerteig verwenden?

v     Und warum wird Sauerteig in den meisten Fällen im Zusammenhang mit Roggenmehl

       verbacken, aber warum sieht man eher selten Weizenbrot-Rezepte mit Sauerteig?

 

Ich werde versuchen, diese Frage hier einigermaßen verständlich zu beantworten.

 

  1. Was ist Mehl eigentlich?

Mehl ist ein „Getreidemahlerzeugnis“, welches durch das Mahlen zwischen 

      2 Mühlsteinen entsteht.

 

Mehl besteht zu etwa 70% aus Stärke. Stärke ist ein Vielfachzucker, der aus vielen

Einzelnen Einfach - und Doppelzucker-Molekülen besteht. Des weiteren enthält Mehl

Zucker, Enzyme, Zellulose,  und Eiweiß (Gliadin und Glutenin).

 

Stärke nimmt etwa 50% an Eigengewicht an Wasser auf, der Eiweißkleber etwa 200%

 

Roggenmehl enthält Pentosane (Schleimstoffe), die ihr Volumen  durch Wasserauf –

nahme etwa ver – 8 – fachen.

 

Durch Wasseraufnahme und den Knetprozess wird aus Gliadin und Glutenin der

Eiweißkleber Gluten ausgebildet. 

 

 

  1. Wie bekommt das Brot seine Form?

Durch den Knetprozess und Wasseraufnahme entsteht im Weizenteig der

Eiweißkleber.

Dieser ist form – und dehnbar, hat Gashaltevermögen, ist elastisch, wasseraufnahmefähig.

Durch das bearbeiten durch den Bäcker bekommt der Teig eine gewisse „Spannung“, die

Die Form des Brotlaibes bedingt.

 

 

  1. Die „Komponenten“

Brot besteht im wesentlichen aus Kruste (umgsspr. Rinde) und der Krume. Die Krume wird durch den Eiweißkleber gebildet.

In der Kruste entstehen beim Backprozess „Dextrine“, ein Zuckerstoff, der sowohl im Doppelzucker als auch in der Stärke nachgewiesen werden kann. Dextrine geben dem

Brot Bräune, Glanz und Geschmack.

 

 

 

 

Während uns beim Weizenbrot der Eiweißkleber zur Verfügung steht, wird die Bildung

eines Klebers im Roggenteig durch die Pentosane verhindert.

Die Pentosane vergrößern ihr Volumen etwa um das 8-fache. Sie schieben sich zwischen die Kleberkomponenten Gliadin und Glutenin, und verhindern so die Bildung eines Klebergerüststes.

Die Stärke ist ein Mehrfachzuchzucker. Wie bereits erwähnt nimmt die Stärke etwa 50% vom Eigengewicht an Wasser auf.

Im Roggenteig wird die Stärke zur Krumenbildung benötigt, was im Weizenteig ja der Eiweißkleber übernimmt.

Im Mehl sind aber auch Enzyme enthalten, die bei einem gewissen Medium (warm und feucht) aktiver sind, als im kalten Umfeld.

Diese Enzyme nun bauen die Stärke zu Zucker ab, ein Klebergerüst haben wir nicht, das Ergebnis sind Risse in der Krume.

Um das zu verhindern, um eine Krume zu erhalten, müssen wir Roggenhaltige Teige säuern.

 

4. Was ist der Säuerungsgrad?

 

Der Säuerungsgrad ist der Roggenanteil, der über den Sauerteig dem Teig beigegeben wird.

Oder auch der Prozentsatz an Roggenmehl, der vom Gesamtroggenmehl abgenommen wird, um ihn zum Sauerteig zu verarbeiten.

 

Beispiel:

Gesamtmehl = 100Kg

Mischung 50:50

Versäuerung 25%

 

Weizenmehl 50Kg

Roggenmehl 50Kg

Von den 50Kg Roggenmehl müssen jetzt 25% versäuert werden.

D.h. ein viertel.

also 12,5 Kg

 

der Teig besteht somit aus

50,0 Kg WM

37,5 Kg RM

22,5 Kg Sauerteig

Bei einer Teigausbeute von 180% enthält der Sauerteig

12,5 Kg RM und 10 L Wasser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5. Wovon ist der Säuerungsgrad abhängig?

Der Säuerungsgrad ist in erster Linie davon abhängig, was wir für ein Brot backen wollen.

nehmen wir ein 100%iges Roggenbrot, haben wir einen Säuerungsgrad von etwa 25%

Bei einem Weizenmischbrot, mit 40% Roggenanteil, liegt der Säuerungsgrad etwa bei

50 – 60 %.

 

Je höher der Roggenanteil in %, desto niedriger ist der Säuerungsgrad.

Kurz und gut: der Säuerungsgrad ist von Mischungsverhältnis Weizen : Roggen abhängig.

 

Das ist natürlich so nicht ganz richtig.

 

Eingangs hatte ich etwas von Enzymen geschrieben, die im Mehl und Teig aktiv sind.

Diese Enzyme sind aber schon auf dem Getreidehalm aktiv.

haben wir einen kühlen, feuchten Sommer, sind die Enzyme aktiver, das Mehl ist feuchter,

und ab einem gewissen Punkt sinkt die Backfähigkeit des Mehles.

Ist das geschehen, müssen wir stärker säuern.

Um wieviel, ist zum eine Erfahrungssache, zum anderen kann man sich die Daten der Mühlen, wo wir unser Mehl beziehen, besorgen.

In den Testbäckereien der Mühlen werden jährlich Backversuche gemacht, um die Mehlqualität zu bestimmen. Das ist auch alles völlig normal, da sich die Mehlqualität

jährlich mit der neuen Ernte verändern kann.

 

Auch von der Größe (Verkehrsgewicht) des Brotes wird der Säuerungsgrad bestimmt.

Mache ich „ganz normale“ Brote für den Einzelhaushalt (500g, 1000g,. 1500g), kann ich

mit einer niedrigeren Säuerung arbeiten, als bei Broten für Großküchen, die dann später in Scheiben geschnitten werden.

Diese Brote haben nicht selten ein Gewicht von 3 – 5 Kg.

 

Der Säuerungsgrad ist auch vom Sauerteig selber abhängig.

Da es viele verschiedene Führungsarten gibt, sind auch die Ergebnisse unterschiedlich.

Führen wir den Sauerteig warm und weich = milder Geschmack

Führen wir den Sauerteig kalt und fest = herb-säuerlicher Geschmack

es gibt die klassische 3-Stufen-Führung, es gibt die Salz-Sauer-Führung, es gibt die Detmolder-Einstufenführung, es gibt die Berliner-Kurzsauer-Führung.

da diese Führungen unterschiedliche Bedingungen aufweisen, müssen wir auch das im Säuerungsgrad mit berücksichtigen.

 

 

6. Zusammenfassung

5 Gute Gründe für die Säuerung:

  1. weil wir im Roggenteig keine Klebergerüst haben
  2. weil wir den Geschmack lieben
  3. weil wir die Enzymtätigkeit bremsen wollen
  4. weil wir die Hefe brauchen
  5. weil wir das Roggenmehl backfähig machen wollen.

 

Dieter Buschmann

Hamburg, 17.02.2005